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Finanzwissen

Dow Jones Jubilee: 125 Jahre später

Der Dow-Jones-Index wurde vor 125 Jahren von Charles Dow und Edward Jones erfunden und ist bis heute ein echter Überlebenskünstler der Wall Street. Warum ist der Index selbst heute noch relevant?

Datum
Autor
Simon Usborne, Gastautor
Lesezeit
5 Minuten

Charles Dow and Edward Jones

Im Jahr 1879 arbeitete ein ehrgeiziger Bauernsohn aus Connecticut als Journalist in Rhode Island, als sein Herausgeber ihm einen Traumauftrag erteilte. Der Reporter sollte mit dem Zug nach Leadville fahren, damals eine aufstrebende, kleine Silberbergbau-Stadt in Colorado. An Bord befand sich eine bunt gemischte Truppe von Männern mit Dollarzeichen in den Augen: Unternehmer, Geologen, Politiker.

Vier Tage lang dampfte der Zug gen Westen, und der Journalist namens Charles Henry Dow erhielt eine unbezahlbare Ausbildung in Sachen Investments und amerikanischer Industrie, und das zu einem Zeitpunkt, als der Aufstieg der Wall Street in vollem Gang war: Zu dieser Zeit hatte New York begonnen, London als Finanzhauptstadt der Welt abzulösen.

Der erst 27-jährige Dow lernte viele Männer kennen. Sie spielten Karten und rauchten Zigarren. In Leadville, einer Stadt des Wilden Westens mit Saloons, Tanzlokalen und Kasinos, schrieb Dow eine Reihe von "Leadville Letters" für seine Zeitung. Er erkannte das enorme Potenzial von Bergbauaktien. Ausserdem stellte er fest, dass immer mehr Anleger zuverlässige Marktinformationen suchten.

Dow Jones Geschichte
Ein Stock Silberbarren in Leadville, Colorado, im Jahr 1880. © Granger Collection

Ein Jahr später reiste Dow nach New York, um näher am Geschehen zu sein. Er fing in einem kleinen Büro an der Wall Street an, das Nachrichten auf handgeschriebenen Zetteln an Banken und Maklerfirmen weiterleitete. Als Dows Chef ihn bat, einen weiteren Reporter einzustellen, bot Dow einen alten Freund aus Rhode Island auf. Sein Name war Edward Jones.

Dow und Jones waren Männer der Moral in einer Zeit ohne sinnvolle Regulierungen. Sie liessen sich nicht unter Druck setzen, positiv oder negativ über Unternehmen zu schreiben, um die Märkte zu manipulieren. Stattdessen sollten Wahrheit und Integrität zu ihrem Verkaufsargument werden.

Die Männer begannen 1883 im Keller eines Süsswarenladens mit der Herausgabe einer täglichen Zusammenfassung von Finanznachrichten. Sie nannten dieses Blatt den "Customer's Afternoon Letter". Er erreichte schnell eine hohe Auflage. Ein Jahr später fügten Dow und Jones ihrem Brief eine Kennzahl hinzu: Einen groben Durchschnitt von elf wichtigen Industrieaktien, darunter neun Eisenbahngesellschaften, Pacific Mail Steamship und Western Union, die Telegrafenlinien betrieben. Dieser Durchschnitt sollte als grobes Barometer für die Märkte dienen.

Der Aufstieg des Dow Jones

Dow und Jones verzeichneten zunächst ein bescheidenes Wachstum. Hinzu kam eine Rezession in den frühen 1880er Jahren. Doch 1889 bauten sie ihren zweiseitigen Tagesbrief zu einer Zeitung aus. Sie nannten sie "Wall Street Journal". Dow wurde ihr erster Herausgeber. Das Gründungsmotto der Zeitschrift lautete: "Die Wahrheit in ihrer richtigen Anwendung".

Während die US-Wirtschaft in den 1890er Jahren ins Stocken geriet, wuchsen Dow und Jones weiter. Unternehmen fusionierten zu riesigen Konzernen, und 1895 übertraf die USA zum ersten Mal die Produktionsleistung Grossbritanniens. Die Exporte boomten, und Eisenbahnen durchquerten Amerika, als die zweite industrielle Revolution die New Yorker Börse zum Blühen brachte.

Dow Jones Geschichte
Der Dow Jones Industrial Average wurde ab 1896 im Wall Street Journal veröffentlicht. © Wikipedia/Dow Jones & Company

Immer mehr neue Unternehmensgiganten suchten Käufer für ihre Aktien, und damit wuchs auch die Nachfrage nach zuverlässigen Informationen. Dow ergriff die Gelegenheit, seinen ursprünglichen Durchschnitt in den formelleren Dow Jones Industrial Average (DJIA) umzuwandeln. Ab 1896 veröffentlichte er den durchschnittlichen Tagesschlusskurs von zwölf Aktien, die einen breiteren Querschnitt der Industrie repräsentierten - Zucker, Tabak, Gas, Elektrizität, Leder und Gummi - und publizierte ihn im Wall Street Journal.

Wie Vermont Royster, ein späterer Herausgeber des Journals, anmerkte, glaubte Dow an einen demokratischen Zugang zu Wirtschaftsinformationen. Dieses Wissen sollte nicht, so Dow, die "Privatangelegenheit von Brokern und Tycoons" sein.

Heute, 125 Jahre später, hat sich der DJIA weiterentwickelt und ist anspruchsvoller geworden. Er umfasst keines der ursprünglichen Unternehmen (General Electric, der letzte Überlebende, wurde 2018 ausgeschlossen). Dennoch lebt er als Blue-Chip-Barometer weiter, das in den Augen seiner treuesten Befürworter immer noch eine bemerkenswert verlässliche Messgrösse gegenüber der Konkurrenz breiterer Indizes wie dem S&P 500 darstellt.

Der Dow, wie der DJIA bald genannt wurde, wurde so sehr zum Synonym für die Finanzmärkte - insbesondere für die Medien, die immer auf der Suche nach mehr Übersichtlichkeit sind -, dass sein Anstieg oder Fall zu einem Kürzel für Marktveränderungen und die Gesundheit der Nation wurden.

Dow Jones Geschichte
Börsenschluss an der New Yorker Börse am 11. März 1976. Der Dow Jones Industrial Average überschritt im Laufe des Tages zweimal die Marke von 1000 US-Dollar. © KEYSTONE/Everett Collection

Die Komponenten des "Dow", wie der DJIA bald genannt wurde, werden heute von S&P Dow Jones Indices, einem Unternehmen von S&P Global, verwaltet und von einem Ausschuss ausgewählt. Unternehmen werden hinzugefügt und entfernt, je nach wirtschaftlichen Entwicklungen. Kodak kam und ging, Fluggesellschaften und Pharmaunternehmen stiessen dazu. Im Jahr 1928 wurde der Durchschnitt auf 30 Aktien erweitert. Dazu gehören heute Visa, Walt Disney, Walmart, Boeing, Goldman Sachs und Apple.

Neben der Erweiterung musste der Dow bald auch eine ausgefeiltere Technik zur Gewichtung und Mittelwertbildung finden. Statt einfach den Gesamtpreis durch die Anzahl der Unternehmen zu teilen, wurde 1928 ein Divisor eingeführt. Dieser konnte angepasst werden, um Aktiensplits und -substitutionen oder signifikante Dividendenänderungen auszugleichen und so sicherzustellen, dass der Durchschnitt die allgemeine Marktpreisentwicklung widerspiegelte.

Aktienzertifikat von 1915
Aktienzertifikat von 1915 für einen Anteil von 100 USD an der Wright Company. © Granger Collection

Wie bezeichnend, dass der Dow in seinem Jubiläumsjahr wiederholt Allzeithochs erreicht hat. Während es nach Rezessionen und Katastrophen - von den Weltkriegen über den 11. September bis hin zu Covid 19 - zu massiven Einbrüchen im allgemeinen Aufwärtstrend kam, war das Jahr 2021 ein Jahr der Hausse. Seit dem erstmaligen Überschreiten der 30 000-Punkte-Marke im November letzten Jahres stieg der Dow weiter an und erreichte Ende Juli die 35 000-Punkte-Marke, als die Welt ihre zaghafte Pandemie-Erholung fortsetzte.

Der Dow hat seine Kritiker; er berücksichtigt kaum die Art und Weise, wie sich die Weltwirtschaft fragmentiert hat und weit über die Ziegel und den Mörtel von Lower Manhattan hinausreicht, in dem Charles Dow seinen Namen machte. Er widerspiegelt die Marktchancen schnell wachsender, neuer Unternehmen nur unzureichend.

Doch obwohl der Dow heute vielleicht so grau erscheint wie sein Gründer, als er 1902 in den Ruhestand ging (er starb nur wenige Monate später), hat er bis heute überlebt - als wirtschaftliche Ikone und echter Überlebenskünstler der Wall Street.

Titelbild: © KEYSTONE/Everett Collection

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