- Home
-
Private Banking
-
Market View & Insights
Konferenzen wie die COP 27 sind kein wesentlicher Treiber im Kampf gegen den Klimawandel, sagt Klimaphysik-Professor Reto Knutti. Warum er dennoch hoffnungsvoll in die Zukunft blickt.
Während sich die UN-Klimakonferenz COP 27 in Ägypten ihrem Ende zuneigt, blickt Reto Knutti von seinem Büro in der Schweiz aus mit einer Mischung aus müdem Déjà-vu und vorsichtigem Optimismus auf die Konferenz. Als Physikprofessor und Leiter der Klimaphysik an der ETH Zürich widmet der 49-jährige Knutti seine Karriere der Erforschung einer Krise im Zeitlupentempo. Er erkennt heisse Luft, wenn er sie sieht.
"Diese Treffen sind wichtig, um Ideen auszutauschen und sich auf gemeinsame Ziele zu einigen, und natürlich waren sie entscheidend für das Zustandekommen des Pariser Abkommens", so Knutti, ein ehemaliges Schlüsselmitglied des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC). "Aber ehrlich gesagt, ist seither nicht viel passiert. Und so wird es wahrscheinlich auch dieses Jahr sein."
Während sich die UN-Klimakonferenz COP 27 in Ägypten ihrem Ende zuneigt, blickt Reto Knutti von seinem Büro in der Schweiz aus mit einer Mischung aus müdem Déjà-vu und vorsichtigem Optimismus auf die Konferenz. Als Physikprofessor und Leiter der Klimaphysik an der ETH Zürich widmet der 49-jährige Knutti seine Karriere der Erforschung einer Krise im Zeitlupentempo. Er erkennt heisse Luft, wenn er sie sieht.
"Diese Treffen sind wichtig, um Ideen auszutauschen und sich auf gemeinsame Ziele zu einigen, und natürlich waren sie entscheidend für das Zustandekommen des Pariser Abkommens", so Knutti, ein ehemaliges Schlüsselmitglied des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC). "Aber ehrlich gesagt, ist seither nicht viel passiert. Und so wird es wahrscheinlich auch dieses Jahr sein."
Knutti meint, dass die Welt seit dem Pariser Klimaabkommen im Jahr 2015 in eine neue Phase eingetreten sein sollte. Damals einigten sich die Staaten auf das Ziel, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperaturen auf deutlich unter 2°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu halten –vorzugsweise gar unter 1.5°C. "Jetzt sind die Länder gefordert. Sie müssen ihre Hausaufgaben machen", sagt er. "Alle Staaten müssen früher oder später zu Netto-Null-Emissionen kommen, und das geschieht durch nationale Politik, Gesetze und Technologie. Wir sollten nicht erwarten, dass die COPs eine wichtige Triebkraft dafür sein werden."
Natürlich verfolgt Knutti die Fortschritte der Schweiz bei der Einhaltung der globalen Verpflichtungen mit grossem Interesse. Und er ist nicht beeindruckt. Wie viele andere Länder hat sich die Schweiz zum Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu werden, statt das ehrgeizigere Ziel bereits 2030 zu erreichen. Eine im letzten Monat veröffentlichte Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) legt nahe, dass die globale Erwärmung nur auf 1.7°C statt der angestrebten 1.5°C begrenzt werden könnte, wenn der Rest der Welt dem Beispiel der Schweiz folgen würde.
Doch selbst im Rahmen einer Strategie bis 2050 sieht Knutti kaum Anzeichen für Fortschritte. "Sie ist in doppelter Hinsicht unzureichend – es gibt nicht genug Ehrgeiz und auch nicht die Gesetzgebung, um das Netto-Null-Ziel zu verwirklichen", sagt er. Was das 1.5-Grad-Ziel im Allgemeinen angeht, teilt Knutti die pessimistische Ansicht, dass es metaphorisch gesprochen "zwar noch am Leben ist", jedoch "nur dank lebenserhaltender Massnahmen".
"Es ist wahrscheinlich, dass wir das Ziel überschreiten werden. Was nicht bedeutet, dass wir nichts mehr tun sollten. Und ich denke, es ist wichtig, dass wir den Ehrgeiz nach wie vor hoch halten. Ob 1.5, 1.6 oder 1.7, das ist immer besser als drei, vier oder fünf Grad", sagt er.
Eines der auffälligsten Themen der COP27 war die Debatte über den so genannten "Verlust- und Schadensausgleich" – die finanzielle Unterstützung, die ärmere, am stärksten betroffene Länder von grösseren Volkswirtschaften verlangen. Diese Idee, die Teil des Pariser Abkommens ist, stösst selbst bei einigen fortschrittlichen Industrieländern wie Schweden auf Widerstand.
Knutti hält das Prinzip der Wiedergutmachung und die Einhaltung der in Paris gemachten Zusagen für sinnvoll. Aber er ist sich der Komplexität eines solchen Systems bewusst. "Die Frage ist, ob das Geld auch wirklich an die entsprechenden Orte und Menschen gelangt", sagt er. "Und wird Geld alleine helfen, oder sollten wir vor Ort sein und versuchen, die eigentlichen Projekte durchzuführen und Kapazitäten aufzubauen?"
In der Zwischenzeit beobachtet Knutti die unmittelbaren Auswirkungen der steigenden Temperaturen vor der eigenen Haustür. Das vergangene Jahr war eine Katastrophe für die Gletscher der Welt. Kurz vor der COP 27 veröffentlichte die UNESCO, die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur, einen Bericht, aus dem hervorging, dass ein Drittel der heute 18’600 Gletscher bis 2050 verschwinden werden.
Die Schweizer Gletscher verzeichneten die stärksten Schmelzraten seit Beginn der Aufzeichnungen vor mehr als 100 Jahren. Insgesamt haben sie 6% ihres Volumens verloren, fast doppelt so viel wie der bisherige Höchstwert aus dem Jahr 2003. "Einige der grössten Gletscher haben sechs Meter an Dicke verloren, und das auf über 3000 Metern Höhe", sagt Knutti. "Das ist unglaublich."
Während die Wasserversorgung in der Schweiz laut Knutti relativ sicher ist, bedroht der Gletscherschwund anderswo Leben und Existenzgrundlagen. Doch das alles verblasst im Vergleich zum Abschmelzen der polaren Eisschilde, die ebenfalls ein schlechtes Jahr hinter sich haben. Gletscher haben eine starke symbolische Funktion, da wir das schwindende Eis tatsächlich sehen, und nicht nur von fernen Eisschildern hören, die sich genauso gut auf dem Mond befinden könnten. "Ich denke, die Gletscher sind das sichtbarste Zeichen dafür, was mit unserem Klima geschieht", sagt er.
Vielleicht noch sichtbarer ist seit der letzten COP-Konferenz die Zunahme unmittelbarer Massnahmen gegen den Klimawandel. Gruppen wie Just Stop Oil haben den Kampf auf die Strasse und die Flughäfen getragen, wo Aktivistinnen und Aktivisten versuchen, Strassen und Städte zum Stillstand zu bringen. Inzwischen werden auch prominente Gebäude und Kunstwerke ins Visier genommen.
Knutti teilt zwar ihre Ziele, steht diesen neuen Taktiken jedoch skeptisch gegenüber. "Wenn man die Fachliteratur liest, ist man sich über die Wirkung dieser Massnahmen nicht wirklich einig", sagt er. Er befürchtet auch, dass die Verärgerung der Menschen zu einer noch grösseren politischen Spaltung führen könnte. «Wir müssen dieses Problem lösen, indem wir uns zusammentun und Lösungen finden, auf die sich die Menschen einigen können, statt zu versuchen, noch härter zu kämpfen.»
Trotz aller Bedrohungen und Herausforderungen, mit denen die Welt konfrontiert ist, und trotz der relativen Untätigkeit bei den COPs seit 2015 sieht Knutti Lichtblicke. "Ich glaube, wir sehen langsam, dass Länder und Unternehmen vorankommen, ohne auf neue Steuern oder Vorschriften zu warten – weil sie die wirtschaftlichen Vorteile der Gestaltung eines Übergangs erkennen", sagt er. "Lange Zeit wurde der Wandel als Belastung empfunden, aber ich denke, jetzt wird er als Chance gesehen, und das macht mir etwas Hoffnung, dass sich die Dinge in die richtige Richtung bewegen."