- Home
-
Private Banking
-
Market View & Insights
Der grösste Feind von uns Anlegerinnen und Anlegern steckt oft in uns selbst: unser Ego. Sieben falsche Glaubenssätze, denen wir zum Opfer fallen.
Früher nannte man es in der Schweiz "Aufschieberitis", heute "Prokrastination". Die Volkskrankheit beginnt meist mit einer harmlosen Ausrede: "Die Finanzmärkte sind sehr komplex. Ich kümmere mich morgen darum." Dann verschiebt man die Angelegenheit auf übermorgen. Und dieses Prozedere wiederholt sich bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag. Wer seine Anlageentscheide immer wieder hinauszögert, vergibt langfristig Renditechancen. Historisch und global betrachtet haben Aktien im Schnitt eine Rendite von jährlich gut 7 Prozent erzielt - allen Krisen zum Trotz. Was geschieht nun, wenn es jemand 10 Jahre an der Börse verpasst? In dieser Zeit hätte man das Vermögen bei einer Rendite von 7,2 Prozent verdoppeln können.
"Ich picke mir wie Warren Buffett die besten Aktien, statt mich zu verzetteln", sagen sich viele Anlegerinnen und Anleger. Der US-Starinvestor hält eine grosse Position an Apple-Aktien. Sie machen 40 Prozent seines Portfolios aus - und haben in den letzten zehn Jahren eine Rendite von über 800 Prozent gebracht. Solche Erfolgsgeschichten klingen im Rückblick spannend. Aber sie sind die Ausnahme von der Regel. So wie nicht in jedem Tennis-Talent der nächste Roger Federer schlummert, schafft es nicht jedes Unternehmen auf die Erfolgsspur. Aus diesem Grund lautet die goldene Anlageregel: "Lege nie alle Eier in einen Korb." Doch gerade damit tun sich Privatanlegerinnen und Privatanleger schwer, wie beispielsweise die US-Finanzprofessoren William Goetzmann und Alok Kumar nachweisen. Das typische US-Privatportfolio enthält nur vier Aktien - und in Europa sieht es nicht besser aus. Viele Anlegerinnen und Anleger sitzen auf Klumpenrisiken. Anders als Warren Buffett können sie diese oft nicht tragen.
Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? An diesem Motto orientieren sich viele Anlegerinnen und Anleger. Sie erwerben hauptsächlich Wertpapiere ihres Heimmarkts, statt ihre Anlagen international zu streuen. "Home Bias" nennen Finanzwissenschaftler dieses Phänomen, dem sogar institutionelle Anleger unterliegen. Dumm ist nur, dass man laut Lehrbuch viele Chancen vergibt, wenn man nicht über den Tellerrand hinausblickt. Eine Studie der Frankfurt School of Finance im Auftrag von Nomura Asset Management kam zu dem Schluss, dass institutionelle Investoren in Deutschland wegen ihres Heimfokus jedes Jahr 2,54 Prozent Rendite verschenken. Die Schweiz bildet allerdings einen Sonderfall: Erstens ist der Franken stärker als viele andere Währungen, zweitens sind ihre Unternehmen wie Nestlé, Novartis und Roche global aufgestellt. In den letzten Jahren haben darum patriotische Portfolios erstaunlich gut abgeschnitten. Und doch dürfte es sich langfristig lohnen, seinen Horizont zu erweitern. Denn gerade die beliebten Schweizer Börsenschwergewichte führen zu einem unausgewogenen Branchenmix.
Viele Anlegerinnen und Anleger verlieben sich in eine Glitter-und-Glamour-Anlage, die in den Medien einen sexy Auftritt hinlegt. Zum Beispiel war der Zahlungsverkehrsabwickler Wirecard der Börsenliebling - bis zu seiner Pleite vor drei Jahren. Ähnlich gelingt es Kryptowährungen und Non Fungible Tokens (NFTs), sprich digitalen Wertzertifikaten, die Blicke und die Gelder beinah magisch anzuziehen. Während manche in den Kryptowährungen das "neue Gold" sehen, meinten andere mit den NFTs ein "El Dorado" entdeckt zu haben. Besonders begehrt waren jene auf digitale Kunst und Sammelobjekte. Nach dem Hype ist mittlerweile die Ernüchterung eingetreten. Wo liegt das Problem? Wie die Börsenpsychologie, die Behavioural Finance, zeigt, hängen sich Anlegerinnen und Anleger so sehr an ihre Herzensanlagen, dass sie diese leidenschaftlich verteidigen. Sie trennen sich nicht von einem Absturzkandidaten, sondern reden sich Mut zu: "Bei diesen Schnäppchenpreisen lohnt sich ein Investment erst recht. Die Chancen bleiben langfristig intakt."
Fast alle, die einen Führerschein besitzen, halten sich für überdurchschnittlich gute Lenker. Ganz ähnlich ist der Durchschnitt der Anlegerinnen und Anleger überzeugt, über ein aussergewöhnliches goldenes Händchen zu verfügen. Was sind die Folgen der durch diverse Studien bestätigten Selbstüberschätzung? Unter anderem, dass private Haushalte zu viele Börsentransaktionen tätigen - und dies strategielos, wie es unter anderen der US-Finanzprofessor Terrance Odean in einer Untersuchung feststellte. Auch Fondskäuferinnen und -käufer stellen sich nicht besser an. Die Ratingagentur Morningstar weist für die Zeitspanne zwischen 2010 bis 2018 nach, dass Anlegerinnen und Anleger, die in Anlagefonds ein- und ausstiegen, wertvolle Renditepunkte vergaben - im Vergleich zu jenen, die ihr Kapital investiert liessen. Da bei jeder Transaktion auch Gebühren anfallen, gilt unter dem Strich: "Hin und her macht die Taschen leer."
Wer rote Zahlen in seinem Portfolio sieht, sieht auch im übertragenen Sinn rot. Anlegerinnen und Anleger reagieren emotional doppelt so stark auf einen Verlust wie auf einen Gewinn. Wer 10 000 Franken verliert, freut sich erst wieder, wenn er später 20 000 Franken dazugewinnt. Im Extremfall löst diese Verlustaversion ein paradoxes Verhalten aus. Manche Anlegerinnen und Anleger versuchen nämlich, Verluste um jeden Preis wieder wettzumachen. So zocken sie ein noch grösseres Loch ins Portemonnaie - wie etwa Jérôme Kerviel: Der Händler einer französischen Grossbank hatte Verluste eingefahren und versuchte, sie mit immer riskanteren Spekulationen aufzuholen. Schliesslich verlor die Bank fast 5 Milliarden Euro. Andere Menschentypen fühlen sich nach Verlusten wie "gebrannte Kinder". Sie machen fortan einen weiten Bogen um Anlagen. Auch das ist wenig vernünftig. Denn auf lange Sicht sollten sich die negativen und positiven Kursschwankungen ausgleichen.
"Der Starke ist am mächtigsten allein", sagt Wilhelm Tell im gleichnamigen Theaterstück von Friedrich Schiller. Ein Satz, der sich an den Börsen gefährlich auswirken kann. Wer im Alleingang handelt, neigt eher dazu, sich von seinem Bauchgefühl steuern zu lassen, als sich konsequent an einer Anlagestrategie zu orientieren. Dabei zeigt eine Studie der Finanzprofessoren Thorsten Hens der Universität Zürich und Kremena Bachmann von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, dass ausgerechnet die Individuen, die finanziellen Rat am dringendsten nötig hätten, diesen meist nicht suchen oder ihn ignorieren. Je höher die Anlagekompetenz, desto öfter wird professionelle Beratung in Anspruch genommen - respektive die Vermögensverwaltung an Profis delegiert.